Als Gōngfu Meisterin habe ich das Privileg, auf eine intensive Reise des chinesischen Kampfes zurückzublicken. Diese Kunstform hat mich schon von Klein an fasziniert und mich auf eine Reise durch die Geschichte, die Kultur und die Philosophie Chinas geführt. In diesem Artikel möchte ich meine Perspektive auf die Entwicklung des Schwertkampfes in China teilen und wie er mich persönlich geprägt hat.
Die Antike: Die Wurzeln des chinesischen Schwertkampfes
Die Reise des chinesischen Schwertkampfes beginnt in der Antike. Während der chinesischen Antike entwickelten sich verschiedene Arten von Schwertern, von denen einige für den Krieg und für die Selbstverteidigung bestimmt waren. Das doppelschneidige Schwert (chin. Jian 剑) wurde zu der Zeit von Kriegerklassen getragen und in Schlachten eingesetzt. Es ist wichtig zu beachten, dass der chinesische Schwertkampf nicht nur auf den Krieg beschränkt war, sondern auch als eine Form der Selbstverteidigung von Zivilisten und zur Entwicklung von Fähigkeiten in den Kampfkünsten, die Mönchen praktizierten, verwendet wurde. Schon vor über 2.500 Jahren wurden Schwerttechniken in den klassischen chinesischen Texten wie dem "Tao Te Ching" erwähnt. Diese Texte betonten die Wichtigkeit der Harmonie zwischen Körper und Geist, was für die Entwicklung des Schwertkampfes von entscheidender Bedeutung war.
Die Daoisten: Schwert und Dao als Einheit
Während meiner Ausbildung habe ich die Bedeutung der Einheit von Schwert und Dao (dem Weg) verstehen müssen. Daoisten in China sahen das Schwert als ein Symbol für das Dao, den universellen Weg. In dieser Ära wurde der Schwertkampf zu einer spirituellen Praxis, die nicht nur körperliche Stärke entwickelte, sondern auch die geistige Klarheit förderte. Diese Verbindung zwischen Schwertkampf und chinesischer Spiritualität beeinflusst mich bis heute. Auch durch die folgende Entwicklung des Buddhismus in China und speziell in der Kampfkunst fand diese Entwicklung keinen Ablass, sondern wurde weiter ausgeführt.
Die Blütezeit der Kampfkünste: Die Ming- und Qing-Dynastien
Im letzten Blog konnte man schon erkennen, welche bedeutsame Zeit diese Dynastien für die Kampfkunst gewesen sein muss. Natürlich hatte sie genau so viel Einfluss auf die Schwertkunst. Es gibt viel über die Blütezeit des chinesischen Schwertkampfes während der Ming- und Qing-Dynastien zu berichten. Das würde jedoch diesen Blog in seiner länge vollkommen überreizen. Daher versuche ich mich auf das wesentliche zu fokussieren.
Diese Zeit brachte berühmte Schwertmeister wie Li Jinglin und Yáng Lùchán hervor, die innovative Schwerttechniken entwickelten und eigene Kampfkunstschulen gründeten. Diese Ära war geprägt von einem intensiven Austausch zwischen verschiedenen chinesischen Kampfkünsten, was zur Entstehung neuer Stile und Formen führte. In keiner anderen Zeit, war der Austausch so flächendeckend wie zur Ming-/ und Qing-Zeit.
Die Moderne: Anpassung und Weiterentwicklung
Mit dem Niedergang der Qing-Dynastie und dem Einzug der Moderne verlor der Schwertkampf seine militärische Bedeutung. Dies war ein Wendepunkt, der den chinesischen Schwertkampf vor neue Herausforderungen stellte. Dennoch überlebte er als Kunstform und wurde in den 1920er Jahren in das moderne Wushu integriert, eine chinesische Sportart, die auf traditionellen Kampfkünsten basiert. Diese Anpassung führte zur Standardisierung von Schwertformen und zur Förderung des Schwertkampfs als Sport.
Die heutige Zeit: Tradition und Innovation
Heute sehe ich, wie der chinesische Schwertkampf in verschiedenen Formen weiterlebt. Traditionelle Schwertstile wie das Tai Ji Schwert und das Jian haben immer noch eine große Anhängerschaft, die die alten Techniken und Prinzipien pflegt. Diese Stile betonen die Verbindung zwischen Körper, Geist und Energiefluss, und sie sind für die persönliche Entwicklung von großer Bedeutung.
Gleichzeitig haben moderne Sportarten wie das Olympische Fechten und das moderne Wushu den Schwertkampf einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dies hat dazu beigetragen, die chinesische Kampfkunst in der ganzen Welt bekannter zu machen und eine neue Generation von Schwertkämpfern zu inspirieren.
Meine persönliche Reise
Meine eigene Reise im chinesischen Schwertkampf begann mit Ende meiner Grundausbildung im Gōngfu. Ich erlernte die Techniken des Jian, eines traditionellen chinesischen Langschwerts, und verbrachte Stunden damit, die Bewegungen zu perfektionieren. Doch der Schwertkampf war für mich nicht nur eine körperliche Herausforderung; er öffnete auch eine Tür zur chinesischen Kultur und Philosophie. Die Ideen von Yin und Yang, die Bedeutung der inneren Energie (Qi), und die Rolle der Meditation und des Gleichgewichts sind alles Aspekte, die mich tief beeinflusst haben.
Es lehrte mich die Kunst der Entspannung in der Bewegung und die Fähigkeit, Harmonie mit der Umwelt herzustellen.
Diese Kunstform hat nicht nur meine körperlichen Fähigkeiten gestärkt, sondern auch mein Verständnis über meinen eigenen Geist vertieft. Die Reise des Schwertkampfes in China ist eine Reise durch die Geschichte, die Spiritualität und die Vielfalt der chinesischen Kampfkünste und zu einem selbst. Sie ist eine Reise, die mich ein Leben lang begleiten wird und die ich gerne mit anderen teile, um die Schönheit und Tiefe dieser Kunstform zu vermitteln.
Donnerstags findet jetzt immer von 19:00 - 20:00 Uhr im Felix-Jud-Ring Schwert-/Waffenkampf Training statt. Mehr Infos auf der Seite über Gōngfu.
Quellen:
Lao Tzu, Tao te Ching. 400 v. Chr.
Rodell, Scott M., Ming Chinese Military Swordsmanship. 2020
Rodell, Scott M., Chinese Swordmanship: The Yang Family Taiji Jian Tradition. 2005
Sawyer, Ralph D., Ancient Chinese Warfare. 2011.
Yang, Jwing-Ming, Ancient Chinese Weapons: A Martial Arts Guide. 1999
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